Abb.l Schema van Bestattungen in der gestreckten Rückenlage nach den vier Haupthimmelsrichtungen
physischen Eigenschaften und Bestattungssitten des betreffenden Individuums, häufig auch mit Kriterien wie der Todesursache zusammenhingen. Die Grab- und Bestattungssitten stellen jedoch keine direkte, automatische Widerspiegelung dieser Faktoren und ihres Wandels im Laufe der Zeit dar. Es handelt sich also nicht um so etwas wie Gesetze, die keine Ausnahmen zulassen. Dadurch ist zu erklären, daß neben dem Regelfall stets auch eine mehr oder minder große Anzahl von Ausnahmen von der Regel auftritt (Häusler 1994a, Schema Abb.4). Regel und Ausnahme bedingen einander. Ein Teil der Ausnahmen wird oft als Sonderbestattungen bezeichnet (Schwidetzky 1965; Palli 1975; 1978). Sie können ebenfalls systematisch ausgewertet werden.
Bevor wir auf die Situation in der Tripol'e-Kultur und in Südosteuropa eingehen, sei angeführt, welche Parameter der Bestattungssitten besonders geeignet sind, sich voneinander unterscheidende Regeln und Strukturen herauszuarbeiten. Es hat sich erwiesen, daß die ßestattungssitten, d.h. die Normen und Regeln, nach denen die Toten im Falle von Körperbestattungen in Grab gelegt wurden, in weit höheren Maße kultur- und zeitspezifisch sind als die Grabform (Erdgrab, Steingrab, Holz- oder
Steinkiste, Flachgrab, Hügelgrab usw.). deshalb bezeichnet U. Fischer die Form des Grabes als die "äußere Hülle" des Bestattungswesens. "Die Bestattung ist im Totenkult das Zentrale, das Grab tritt als der äußere Behälter der Bestattung hinzu" (Fischer 195G, 250). Als kriterien, die sich für eine Klassifizierung der Bestattungssitten als besonders aufschlußreich herausgestellt haben, sind vor allem die Parameter der Orientierung und Seitenlage (rechts oder links) der Toten in ihnen vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten zu nennen. Nach einem vom Verlasser erarbeiteten Schema (Abb.l) treten allein unter Berücksichtigung der vier Haupthimmelsrichtungen bei einer Bestattung in der gestreckten Rückenlage rein theoretisch 22 verschiedene Möglichkeiten der Niederlegung eines Toten im Grab auf. Bei der Bestattung als liegende Hocker sind unter Berücksichtigung der vier Haupthimmelsrichtungen bereits 52 Möglichkeiten vorhanden. Dabei kann die Struktur der Bestattungssitte monopolar (Abb.2, Typ 1-9), bipolar (Abb.2, Typ 9-20,29-52), gescnlechtsindifferent (Abb.2, Typ 1-20) oder geschlechtsindifferenziert (Abb.2, Typ 21-52) sein. Die geschlechtsindifferenten Systeme können monopolar (Abb.2, Typ 1-8) oder bipolar (Abb.2, Typ 9-20), die geschlechtsindiffe-
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Abb.2. Schema von Bestatungen in der Hocklage nach den vier Haupthimmelsrichtungen
renzierten monopolar (Abb.2, Typ 21-28) oder bipolar (Abb.2, Typ 29-52) auftreten.
Vergleichende Untersuchungen ergeben, daß in den meisten archäologischen Kulturen Europas vom Frühneolithikum bis zur frühen Bronzezeit in der Regel nur eine der hier angeführten 22 bzw. 52 theoretisch denkbaren Möglichkeiten realisiert und über Jahrhunderte zäh tradiert wurde. Natürlich spielen neben den angeführten Regeln, nach denen die Toten ins
Grab gelegt wurden, auch Parameter wie die spezifische Anordnung der Gliedmaßen (Totenhaltung) (Abb.3), die Quantität und Quantität der Beigaben und ihre Anordnung im Grab, Kultfcuer usw. eine Rolle. Die spezifische Bedeutung dieser Parameter schwankt von Fall zu Fall. Bei der nachfolgenden Untersuchung soll es jedoch vorwiegend um die sich als besonders aussagekräftig erweisenden Prinzipien der Bestattungssitte wie die Orientierung und die
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